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Ist der OPAC von morgen schon heute möglich?


Zitiervorschlag
Dirk Wissen, "Ist der OPAC von morgen schon heute möglich?. ". LIBREAS. Library Ideas, 15 ().


Wissen Sie, wie sich zukünftig Bibliografien, Kataloge und OPACs bedienen lassen? Wenn wir über die Zukunft von Bibliografien, Katalogen und OPACs nachdenken, denken wir dann zunächst an Medienverzeichnisse oder an offene, kommunikative Webportale, die es jedem ermöglichen, sich nach Art des Web 2.0 an der Erfassung der bibliografischen Daten zu beteiligen? Wenn wir mediale Internetangebote des Web 2.0 genauer betrachtet, bieten diese mehr als lediglich die Verzeichnung von Medien. Es zeigt sich, dass angesichts aktueller Entwicklungen in Richtung Web 2.0 die Frage neu gestellt werden sollte, in welcher Form zukünftig mediografische Portale ihren Nutzen haben könnten. Beispielsweise könnte ein OPAC 2.0 jedem Interessenten einen individuellen Zugang zu einem Informationsraum offerieren, der sich funktionell ganz den eigenen Bedürfnissen und Wünschen des Bibliotheksnutzers anpasst und nicht nur Zugang zu Informationen ermöglicht, sondern auch vollmedialen Zugriff, inhaltliche Verweisfunktionen, erweiterten Service sowie Kommunikationsfunktionen.

Die Antwort lautet also, dass Archive und Bibliotheken mehr über mediografische Portale nachdenken sollten und nicht über Bibliografien, Kataloge und OPACs! Eine darauf folgend wichtige Frage ist, ob diese Portale sowohl inhaltlich als auch funktionell nicht nur unseren Archiv- und Bibliotheksnutzern mehr Service bieten, sondern auch einen höheren Zweck für Archive und Bibliotheken selbst darstellen?

Die Online-Techniken des Web 2.0 und dessen Portale offerieren virtuelle Welten und neue Möglichkeiten zum Aktiv- und Produktivsein, also insgesamt zum Proaktivsein unserer Nutzer. Die Betrachtung solcher Internetangebote zeigt, dass sich mediografische Angebote bereits in einer Entwicklung befinden. Doch wenn es eine solche Entwicklung gibt, muss überlegt werden, wie Archive und Bibliotheken sich hierbei einbringen können. Somit zeichnet sich bei diesem Thema eine Brisanz ab. Denn zu bedenken ist, dass mediografische Daten bereits in Rechercheergebnissen bei Online-Datenbanken, Internet-Suchmaschinen, Online-Enzyklopädien oder anderen Angeboten eine Rolle spielen.

Zu beobachten ist zudem, dass immer mehr Archive und Bibliotheken auf ihren Websites die Möglichkeiten des Web 2.0 integrieren. [Fn 1] Durch welche Funktionen das Web 2.0 sich definiert, zeigt sich an der folgenden Auswahl der wohl bekanntesten Websites: Biblionik | www.biblionik.de, B.I.T. Wiki | www.b-i-t-wiki.de, BitTorrent | www.bittorrent.com, Blog.Com | http://blog.com, CiteULike | www.citeulike.org, del.icio.us | http://del.icio.us, Facebook | www.facebook.com, Flickr | www.flickr.com, Google AdSense | www.google.com/adsense, ICQPhone | www.icq.com, LibraryThing | www.librarything.de, MySpace | www.myspace.com, Podcastalley | /www.podcastalley.com, Mevio | www.mevio.com, UpComing | http://upcoming.org, Wikipedia | www.wikipedia.org, Wikisource | http://de.wikisource.org, YouTube | http://www.youtube.com. Sie zeigen, dass das „Soziale Netzwerk“ nicht nur eine Bedeutung für unsere soziale Daseinsstruktur hat, sondern auch für die Informationsherstellung und -verarbeitung (Austausch, Speicherung und Vernetzung von Information und Wissen), da so ein existenzielles Interesse unserer Informationsgesellschaft bedient wird. Prämissen unserer Informationsgesellschaft sind lebenslanges Lernen (Life-Long-Learning), Informationskompetenz (Information-Literacy) und Informations- bzw. Kommunikationsfähigkeiten (ICT-Skills). Information ist aus dieser Perspektive betrachtet ein aktives und Wissen ein bedienendes Element. Wissen ist dementsprechend ein passives und vorausgesetztes Element. Die Information ist als Vermittler von Wissen zu verstehen, welches sich wiederum unter zwei Aspekten betrachten lässt: Um Information zu aktivieren oder neu entstehen zu lassen, muss einerseits Wissen zur Verfügung stehen, andererseits ist es ein Orientierungselement, um mit Informationen umzugehen. Und es existiert eine weitere Perspektive, bei der mit der Anreicherung durch neue Informationen wieder neues Wissen generiert werden kann.

Betrachtet man diese Beziehung zwischen Information und Wissen systematisch, bietet sich eine Assoziation zu den strukturierten Verhältnissen zwischen Information und Wissen in Archiven und Bibliotheken an (Informationsgesellschaft). Wird die Beziehung zwischen Information und Wissen hingegen nicht systematisch linear oder strukturiert vernetzt, sondern als offener Raum betrachtet, bietet sich ein Vergleich mit dem Internet an, in dem theoretisch jede Person und Institution durch ein Portal eintreten und ihr Wissen als Information im virtuellen Raum zur Verfügung stellen kann (Wissensgesellschaft).

Verzeichnisse wie z. B. Bibliografien und Kataloge enthalten bzw. speichern Informationen über Medien, die wiederum Wissen vermitteln. Um dieses Wissen zugänglich zu machen, wird die bibliografische Information genutzt. Für den Umgang mit diesen Verzeichnissen wird wiederum Wissen benötigt, um Informationen zu erfassen und zu gewinnen – hierbei ließe sich vom „bibliographischen Wissen“ sprechen. Somit haben Bibliografien, Kataloge und OPACs einen Informationswert. Doch welchen Bedarf und Nutzen bedient dieser Informationswert? Gibt es einen Bedarf zur Weiterentwicklung von mediografischen Information bzw. Daten, an deren Erfassung sich der Nutzer beteiligen kann? Kann auch zukünftig ein Nutzen durch das Informationshilfsmittel „Bibliografie, Katalog und OPAC“ im Gebrauch durch Archive und Bibliotheken und deren Nutzer gewährleistet werden? In Zeiten digitaler Medien, elektronischen Publizierens und elektronischer Informationsverbünde, in denen Online-Techniken des Semantic-Web, des Web 2.0 oder virtuelle Welten neue Möglichkeiten zum Aktiv- und Produktivsein bieten, sind diese Fragen nahe liegend.

Das Web 2.0 und die Möglichkeiten der virtuelle Welten zum Aktiv- und Produktivsein sind schließlich nicht als neue Version des WWW zu verstehen, vielmehr kennzeichnen sie innerhalb des WWW eine Entwicklung, welche die Nutzer zum proaktiven Mitmachen auffordert. Bestimmte Websites bieten einen inhaltlichen wie materiellen Austausch und die Möglichkeit zur Kommunikation.. Die Grundprinzipien der Websites des Web 2.0 sind: als Einstiegsseite zu gelten; die Möglichkeit zu bieten, Inhalte zu ergänzen; nötige Software online und als kostenlosen Service zugänglich zu machen statt als Ware; offene Schnittstellen zu bieten und ein Angebot für unterschiedlichste Endgeräte offen zu halten, sowie die Benutzung durch eine klare und simple Usability zu ermöglichen. Diese Betrachtung der Proaktivität durch die Nutzer wirft, bezogen auf OPACs, natürlich wieder neue Fragen im Bezug auf die Informationsaufbereitung und die Informationsqualität auf.[Fn 2]

Doch eine Zukunft ist nur in offenen Informationsräumen zu sehen, in die traditionelle bibliografische Informationen mit entsprechenden Funktionen integriert werden. Ein solcher Informationsraum, z. B. ein mediografisches Portal, könnte die Form einer Mediografie oder Wikigrafie haben.

Die Varianten einer Mediografie und einer Wikigrafie sind derzeit noch Zukunftsbilder, welche im Folgenden, beruhend auf eine Studie an der Universität Wien[Fn 3], in Form zweier Szenarien beschrieben werden. Hierdurch sollen normalerweise unternehmensspezifische Chancen und Risiken aufgeführt und somit Planungsüberlegungen angeregt werden.[Fn 4] Die folgenden Szenarien können somit als Grundlage für eine strategisch unternehmerische Planung für Archive und Bibliotheken dienen.

Die Variante Mediografie

Verzeichnet werden mit einer Mediografie unterschiedlichste Informationsangebote, wie z.B. Online-Ressourcen und Websites. Ein Grund hierfür ist, dass immer mehr Bestandsverzeichnisse online zugänglich sind und immer mehr Autoren ihre Dokumente selbst ins Netz stellen. Die Mediografie bietet für die Erschließung einen Zugang zu diesen Dokumenten und für die Nutzer einen Informationsraum. Der Mediografie fällt hierbei wegen ihrer Möglichkeit der Informationsvisualisierung eine wichtige Rolle zu, wie sie z.B. durch Cover-Abbildungen und gescannte Inhaltsverzeichnisse oder vollmediale Digitalisate bereits existieren. Die Verzeichnung dieser Digitalisate ließe sich inhaltlich ergänzen durch weitere virtuelle Nachschlagewerke, wie beispielsweise Adressbücher, Atlanten, Datenbanken, Lexika oder Wörterbücher.

Der Begriff Mediografie bezieht sich hierbei auf fünf Aspekte: Auf die Ausweitung der Verzeichniskategorien (Dokumente, Informationen, Medien, Sammlungen, Websites etc.), auf die Verzeichnung aller Medientypen (Buch, CD, DVD, Hörfunk, TV etc.), auf die Vielfalt der Medienformate (Bild, Text, Ton etc.), auf die Inhalte (allgemeine wie wissenschaftliche Informationen und Medien) und auf die Internet-Medien (Blog, E-Mail, Podcast, RSS, Twitter, Vodcast etc.). Durch diese Expansion wird es Primär- und Sekundärdaten in den verschieden Informationsebenen geben und es werden nicht mehr nur die konventionellen ISBN- und ISSN-Medien verzeichnet.

Das Medienverzeichnis rückt somit in den Hintergrund. Es geht um die Verzeichnung von Inhalten und um Verzeichnisanreicherungen (Abstracts, Bilder, Dokumente, Inhaltsverzeichnisse, Rezensionen etc.) sowie deren Vermittlung und den Zugriff auf diese. Die Mediografie ist ein „Inhaltsverzeichnis“, bei dem die Informationsvermittlung und die dazu gehörige Vermittlung von Informationskompetenz eine große Rolle spielen und somit den Institutionen eine neue Chance zur Kommunikation mit den Kunden geboten wird. Sie verzeichnet zwar alle Medientypen, doch definiert sich die Mediografie durch die Inhalte, die sie verzeichnet und durch die beschriebenen Kommunikationsfunktionen. Das multimediale Angebot bietet ein Ineinandergreifen von Bild und Wort und ist durch crossmediale Verweisfunktionen als eine aufbereitete Informationsquelle von unzähligen strukturierten Einzelinformationen zu verstehen. Sie ist interaktiv nutzbar und bietet qualitätsgeprüfte Links vieler Institutionen. Sie vermittelt nicht nur eine umfangreichere Verzeichnung aller Medientypen, sondern auch eine Ausweitung der Verzeichnungsstruktur.

Die Variante Wikigrafie

Der Unterschied zwischen Mediografie und Wikigrafie ist, dass bei der Wikigrafie jeder sein Wissen persönlich einbringen kann. Der Nutzer kann zum Anbieter, der Anbieter zum Nutzer werden und wird zu dieser Aktivität sogar aufgefordert. Der entscheidende Aspekt bei der Wikigrafie ist die Einbeziehung der Nutzerinteressen sowie des Nutzerwissens in Form proaktiver Arbeitskraft. Das birgt Nachteile und Vorteile. Erste Ansätze dieser Einbeziehung der „Nutzerarbeitskraft“ für die Verzeichnung gibt es beispielsweise bereits bei der Bibliothek der Pennsylvania Universität | http://tags.library.upenn.edu, die ihre Nutzer für die Verschlagwortung durch so genannte PennTags einbezieht.[Fn 5] Diese Einbeziehung von Nutzern bietet perspektivisch nicht nur die Möglichkeit, das Verzeichnis mit zu erfassen, sondern auch Dokumente und Inhalte durch den Nutzer selbst einbinden und kommentieren zu lassen. Ein Vorteil der Wikigrafie besteht darin, dass durch sie Einzelfragen eine größere Chance haben, beantwortet zu werden, da die Nutzer sich untereinander Antworten geben können, die in ihrer Masse durch Archive und Bibliotheken nicht beantwortet hätten werden können. Hier ließen sich von den Nutzern inhaltliche Schwerpunkte setzen und beispielsweise durch Literaturhinweise die Erwerbungspraxis durch die Nutzer deutlicher als bisher beeinflussen.

Außerdem ließen sich in Wikigrafien einzelne OPACs verschiedener Institutionen als Mikrosammlung zusammenfassen. Dies kann das Problem lösen, dass der Recherchierende (gleich ob Auskunftspersonal oder Nutzer) gar nicht weiß, zu welchem Autor oder zu welchem Thema es ein noch unveröffentlichtes Literaturverzeichnis gibt oder woran gerade zeitgleich, aber noch unveröffentlicht geforscht wird. Es ist davon auszugehen, dass sich mit einer solchen Wikigrafie ein enormer Rechercheaufwand auffangen und ein aktueller Forschungsaustausch ermöglichen ließe. Ein weiterer Vorteil der Wikigrafie kann in der Einbeziehung semantischer Verknüpfungen gesehen werden. Diese könnten nicht nur durch automatisierte Prozesse entstehen, wie sie derzeit bezüglich des Semantic Web diskutiert werden, sondern auch durch Verknüpfungen, die durch Nutzerwissen intellektuell erzeugt werden, indem beispielsweise Links gesetzt oder inhaltliche Supplemente wie Abstracts, Anmerkungen, Inhaltsverzeichnisse etc. eingefügt werden.

Eine Wikigrafie ermöglicht somit einerseits, dass eine größere Datenmenge verzeichnet werden kann, als dies allein durch das Personal von Archiven und Bibliotheken möglich wäre. Andererseits beinhaltet dies auch die Gefahr einer größeren Ungenauigkeit der verzeichneten Daten im Vergleich zu Bibliografien, Katalogen und OPACs bzw. Mediografien. Doch zu bedenken ist auch, dass sich die Inhalte durch Selbstregulierung verbessern lassen und dies möglicherweise zur Folge hat, dass sogar genauer verzeichnet wird. Unter dem Blickwinkel der Aktualisierung, können die Einträge als qualitätsvoller bezeichnet werden, da sich die Aktualität durch den Zugang mittels Wiki-Technologie erheblich erhöhen ließe. Dieser Vorteil ließe sich unter Umständen auch bei der bibliographischen Arbeit von Bibliotheken nutzen, die keine Beteiligung von Nutzern zulassen wollen.

Die angebotenen Inhalte der Wikigrafie orientieren sich somit zukünftig stärker an den allgemein vorhandenen Interessen und dem Wissen der Nutzer. Der Nutzer erfüllt die Rolle des Datenerfassers bzw. -erstellers, Kritikers, Lektors bzw. Rezensenten.

Sollten zu einem Schriftsteller oder einem Thema keine Grunddaten verzeichnet sein, könnten Rechercheanfragen als Eckdaten automatisch über ein Webformular erfasst werden. Existieren stattdessen Daten zur Fragestellung des Nutzers, erhält er ein Rechercheergebnis. Diese frei erfassten Daten können nach Prüfung durch eine entsprechende Institution als korrekter Grunddatensatz zertifiziert werden. Durch die Möglichkeit der Beteiligung von Anwendern an der Erfassung wird die inhaltliche Qualität mediografischer Einträge nicht sinken, da es auch eine Ebene gesicherter Informationen geben wird. So wird dieses skizzierte mediografische Literaturportal eine auf Wiki-Technologie basierende Erfassungsebene haben müssen.

Eine Wikigrafie wäre somit ein allgemein zugänglicher und ein durch Wissen anzureichender Informationsraum. Die Frage ist nur, an welcher Stelle Abgleicharbeit notwendig wird bzw. sogar geleistet werden muss, um diese Informationsquellen handhabbar und übersichtlich zu gestalten. Hier müssen ein Monitoring und begleitende Regularien eingesetzt werden. Die bisherigen Kooperationsformen der Archive und Bibliotheken sind bereits so ausgefeilt, dass es sich diesbezüglich bei der Realisierung einer Wikigrafie lohnt, auf das Fachwissen dieser Institutionen aufzubauen. Würden sich ein Archiv oder eine Bibliothek für eine Wikigrafie entscheiden und Nutzern, ungeachtet aller qualitativen Bedenken, die Beteiligung an der Verzeichnung von Medien, als eine Art demokratischen Akt ermöglichen, drängen sich Negativbeispiele aus der freien Wirtschaft auf. In ähnlichen Versprechen der Demokratisierung werden bereits Aufgaben einfach an Kunden ausgelagert und dann gestrichen oder als gesondert zu zahlender Service eingerichtet. Es besteht die Gefahr, dass aus Kostengründen aus einer Beteiligung von Nutzern mit der Zeit eine Pflicht der Nutzer wird, unbezahlt etwas beizutragen. Dies kann nicht nur in Möbelhäusern passieren, in denen der Kunde die Arbeit eines Tischlers aufgedrängt wird, dies passiert bereits in Online-Buchhandlungen, beim Online-Fahrkartenkauf und diversen anderen Web-Angeboten; und dies kann bei einer zu naiven Herangehensweise auch bei einer Wikigrafie geschehen.

Alternative Varianten

Doch kann es neben der Mediografie oder Wikigrafie weitere Alternativen geben. Eine noch undefinierte Variante wäre beispielsweise, die beschriebenen Vorteile der Mediografie und der Wikigrafie auszuschöpfen und deren Nachteile zu überbrücken, indem eine auf Wiki-Technologie basierende Ebene innerhalb der Mediografie realisiert wird. Hier kann der Anwender selbst Supplemente inhaltlicher Beschreibungen und Bewertungen zu den Dokumenten und Informationen erstellen. Es gäbe eine weitere Ebene mit der von den Archiven und Bibliotheken qualitätsgeprüfte Inhalte erfasst werden, welche auf einem festgelegten archivarischen bzw. bibliothekarischen Qualitätsstandard gründen.

Weitere Alternativen wären beispielsweise eine Chrono-Grafie (eine Bibliografie, die in chronologischer Reihenfolge die Daten verzeichnet), eine Bio-Mediografie (die auf biographische Daten verweist), eine analytische Mediografie (die nicht nur verzeichnet, sondern auch kommentiert und beurteilt). Möglich wäre auch eine Multimedia-Grafie mit Hör- und Sehbeispielen, ein Geo-Mediografie, die Standorte bestimmter Medien und Sammlungen verzeichnet z. B. über Informationsdienste wie GoogleEarth (http://earth.google.de) oder WorldWind (http://worldwind.arc.nasa.gov) oder eine Lexiko-Mediografie, die neben der Medienbeschreibung und -verzeichnung als Informationsquelle fungiert wie ein Adressbuch oder Lexikon bzw. Wörterbuch. Darüber hinaus sollte über Varianten eines Cyberspace-ähnlichen virtuellen Bibliotheksraums wie bei SecondLife spekuliert werden, in dem der Image-Katalog eine interessante Rolle spielt und der Nutzer als Avatar wieder konventionell aber virtuell blättern und lesen kann, wie in traditionellen Verzeichnissen: Mögliche Alternativen ließen sich unter diesem Aspekt z. B. als Avatar-Grafie, Cyber-Grafie, E-Science-Grafie, Grid-Grafie, Metagrafie2.0, SecondLife-Grafie, Virtuelle-Grafie oder dergleichen bezeichnen.

Fazit

Die beiden beschriebenen Szenarien einer Mediografie und Wikigrafie bieten eine orientierende Basis für Entscheidungen im Rahmen der strategischen Überlegungen.. Mit den beiden Varianten und der Entwicklung von der bibliografischen zur mediografischen Information sollten mögliche Momente in einem gegenwärtigen Prozess der Veränderungen beschrieben werden. Damit stellt sich für Archive und Bibliotheken nicht die Frage, ob sie eine dieser Modellvarianten umsetzen, sondern wie sie den Anschluss an diesen Veränderungsprozess nicht verpassen und welche Maßnahmen hierzu zu ergreifen sind. Institutionen, die sich einem solchen Portalprojekt verpflichten, muss aber auch bewusst sein, dass dies nicht nur Potenzial bedeutet, sondern auch Auswirkungen auf ihre Aufgaben hat. So muss die Beteiligung an einem solchen Literaturportal zu einer längerfristigen Profilaufgabe werden, um einen Nutzwert für die Institution und ihre Nutzer zu erzielen. Somit wird sich die mediografische Funktion solcher Projekte in das unternehmerische Leitbild der Institutionen übertragen und als kooperative Strategie formuliert werden müssen.

Archive und Bibliotheken werden in Zukunft Alternativen zu ihrem bisherigen mediografischen Werk und OPACs konzipieren müssen. Gegebene Standards der Datenerfassung erweisen sich so als sehr wertvoll, da sie die Basis zur Konvertierung von Daten und zur Kooperation unter den Institutionen mit neuen Systemen bilden. Diese Standards müssen fortlaufend definiert werden. Die Unterscheidbarkeit von Bibliografien, Datenbanken und OPACs oder Suchdienst bzw. Informationsportal oder -raum wird für die Nutzung zukünftig obsolet. Wichtig ist, dass diese Informationen öffentlich zur Verfügung stehen und sich den zukünftigen Informationsspeichern und -wegen anpassen, um nicht an Wert zu verlieren. Auch eine heute definierte Mediografie oder Wikigrafie kann nur eine Beschreibung auf dem Weg in die Zukunft sein.

Solange der Archiv- bzw. Bibliotheksnutzer Zugang zu Informationen und Medien erhält, ist das wichtigste Ziel erreicht. Der Nutzer dieser Informationen wird erst mal nicht fragen, wer diese Daten zur Verfügung stellt. Und wenn Archive und Bibliotheken den Anschluss bei der Entwicklung eines proaktiven Literaturportals in Form einer Mediografie oder Wikigrafie verpassen, die für diese Institutionen nur durch eine Kooperation untereinander und mit Partnern möglich ist, wird es andere geben, die ein solches Projekt initiieren. Es steht weniger die Frage im Vordergrund, ob Archive und Bibliotheken sich öffnen und sich an andere Firmen, Institutionen, Personen, Vereine oder gar Branchen wenden, um eine Projektbeteiligung anzubieten, sondern eher, ob und wann sie sich dieser Aufgabe stellen. Archive und Bibliotheken haben eine gesellschaftliche Verantwortung für die Bereitstellung mediografischer Informationen und den sich dahinter befindlichen Dokumenten und Medien. Denn auch wenn herkömmliche Bibliografien und OPACs ausgedient haben, bedarf es weiterhin unabhängiger und öffentlich zugänglicher sowie qualitätsvoll aufbereiteter mediografischer Informationen zur zielgerichteten Vermittlung von Informationen und Wissen.


Fußnoten

[Fn 1] Vgl. Figge, Friedrich / Kropf, Katrin: Chancen und Risiken der Bibliothek 2.0: Vom Bestandsnutzer zum Bestandsmitgestalter, in: Bibliotheksdienst, 41 (2007), 2, S. 139-149 <http://eprints.rclis.org/archive/00008778/01/Figge_Kropf.pdf; 15.01.2008> (zurück)

[Fn 2] Vgl. Rittberger, M.: Informationsqualität In: , R.; Seeger, Th. und Strauch, D.: Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, Müchen, 2004, S. 315 ff. (zurück)

[Fn3]Vgl. Wissen, D.: Zukunft der Bibliografie – Bibliographie der Zukunft, Berlin, 2007 (zurück)

[Fn4] Vgl. Mißler-Behr, M.: Methoden der Szenario-Erstellung – In: Gausemeier, J. [Hrsg.]: Die Szenario-Technik – Werkzeug für den Umgang mit einer multiplen Zukunft, Paderborn, 1995, S. 44 ff. (zurück)

[Fn5] Vgl. Figge, F. und Kropf, K.: Chancen und Risiken der Bibliothek 2.0: Vom Bestandsnutzer zum Bestandsgestalter. In: Bibliotheksdienst, Jg. 41, Heft 2, Berlin, 2007, S. 139. (zurück)


Dirk Wissen ist Direktor der
Stadt-und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder). Er studierte Bibliothekswissenschaft und Germanistik in Hamburg, Berlin und Wien. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die Lese- und Literaturförderung sowie die Vermittlung von Informations-, und Medienkompetenz, Kooperationen mit Bildungs- und Kulturpartnern und Veranstaltungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Aktuelles Projekt ist die Koordination und Moderation der Fernsehsendung „Wissen trifft... – Das Kulturgespräch an der Oder”, eine Literaturvermittelnde Kulturveranstaltung.